Ein Beitrag von Anna Graupner und Lena Lemke


Die Textilindustrie hat das Erzgebirge über Jahrzehnte hinweg geprägt, doch heute ist dieses Erbe kaum im kollektiven Gedächtnis verankert. Dabei hinterließ das Gewerbe nicht nur einzigartige bauliche Spuren, sondern bietet auch Potenzial für regionale Entwicklung und die Wiederentdeckung von Industriegeschichte.

Anna Graupner, Studentin der Bauhaus-Universität Weimar, widmet sich in ihrer Bachelorarbeit „Textilerbe weiter spinnen. Wie ein Raumbildprozess eine neue Industriekultur für das Textilerbe im Erzgebirge anstoßen kann“ der Frage, wie das textile Erbe der Region durch einen „Raumbildprozess“ neu interpretiert und belebt werden kann. Dazu begibt sie sich auf Spurensuche und bezieht anhand von Interviews mit lokalen Akteuer:innen, Positionen aus der Region aktiv ein.

Im Interview mit unserer Beraterin Luise Hahmann und bis August 2024 Koordinatorin des Arbeitskreises zur Erhaltung der sächsischen Spinnmühlen (AK Spinnmühlen) standen, mit Blick auf die diversen Spinnmühlen, die wir im Zuge unserer Beratungen und im Arbeitskreis begleiten, größte Chancen und Herausforderungen, Best-Practice-Beispiele und Sorgenkinder im Fokus.


Fotos: DNS, Katharina Rühling, Luise Winter


Was ist ein Raumbildprozess?

Ein Raumbildprozess hat das Ziel, räumliche Strukturen auf regionaler Ebene zu visualisieren. Dabei dienen sogenannte „Raumbilder“ als Leitbilder, um Potenziale, mögliche Zukunftsszenarien und Entwicklungsbedarfe aufzuzeigen. Damit machen sie sichtbar, was durch klassische Planungsansätze oft schwer zu vermitteln ist. Gleichzeitig sind die kooperativen Prozesse, die hinter Raumbildern stehen, ein wertvolles Werkzeug für die regionale Entwicklung.

Durch die Einbeziehung verschiedenster Akteur:innen fördert der integrative Ansatz nicht nur den Austausch und die Netzwerkbildung, sondern auch die Akzeptanz für gemeinsame regionale Entwicklungsziele.


Das textile Erbe im Fokus

In ihrer Arbeit setzt Graupner den Fokus auf das Zschopautal, eine Region, die stark von der Textilindustrie geprägt wurde. Sie entwickelt sogenannte „Mappings“, die die Entwicklung der Textilindustrie in drei Zeitschichten nachzeichnen. Dabei wird deutlich, dass nicht nur einzelne Bauwerke wie Fabriken oder Spinnereien industriekulturelles Potenzial besitzen. Erst im großräumigen Kontext wird sichtbar, wie stark die Textilindustrie die gesamte Region geformt hat.

Ein konkretes Beispiel ist die vertiefende Untersuchung der Spinnerei Venusberg II. Diese erweitert die Raumanalysen um sozial- und arbeitsgeschichtliche Dimensionen und verdeutlicht, dass das textile Erbe weit mehr als nur Architektur umfasst – es ist auch eng mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbunden.


Ein Leitbild für die Zukunft

Auf Basis ihrer Analysen skizziert Graupner einen hypothetischen Raumbildprozess für das Textilerbe im Zschopautal. Dieser zeigt, wie die gemeinsame Erarbeitung eines räumlichen Leitbildes gelingen kann. Besonders wichtig ist dabei die Zusammenarbeit mit lokalen Akteur:innen sowie die Vernetzung verschiedener Perspektiven.

Die Arbeit zeigt, dass das textile Erbe des Erzgebirges nicht nur als Teil der Vergangenheit betrachtet werden sollte. Durch eine positive Neubewertung und die Entwicklung neuer Narrative kann es als wertvolle Ressource für die Zukunft genutzt werden. Um das zu erreichen, müssen jedoch auch die schmerzhaften Aspekte der Geschichte – etwa die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des industriellen Wandels – aufgearbeitet werden.

Ein umfassendes Raumbild könnte hierbei zu einer Fürsprecherin einer neuen textilen Industriekultur im Erzgebirge werden und die Region auf ihrem Weg in die Zukunft unterstützen.


Download zur Bachlorarbeit



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Fotos: Bauhaus Universität Weimar, Anna Graupner